Wie AfD-Kreisrat Kuchlbauer mit der Identitären Bewegung vernetzt ist
Der Meringer AfD-Kreisrat Simon Kuchlbauer hat enge Kontakte zur Regionalgruppe der Identitären Bewegung, wie ein nun aufgetauchtes Video beweist.
Eine gute Woche nach der ersten Berichterstattung unserer Redaktion über das Vernetzungstreffen der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) mit AfD-Politikern in Dasing im November rückt die Verstrickung des Meringer Parteifunktionärs Simon Kuchlbauer immer mehr in den Fokus. Der AfD-Kreisrat bestritt zunächst auf telefonische Anfrage unserer Redaktion, dass er bei dem sogenannten "Schwaben-Kongress" mit dem Rechtsextremisten Martin Sellner überhaupt dabei war. Der Österreicher, ein führender Kopf der IB, stellte in Dasing und zwei Wochen später bei einem Geheimtreffen in Potsdam seinen "Masterplan für Remigration" vor. Die IB meint damit nicht nur die Abschiebung ausreisepflichtiger oder krimineller Flüchtlinge, sondern auch die Vertreibung von Menschen mit ausländischen Wurzeln.
Kuchlbauer räumte später schriftlich ein, dass er in Dasing anwesend war, um sich persönlich ein Bild von der Veranstaltung "junger Aktivisten" zu machen. Das gehöre zu seinen Aufgaben als Kreisrat. Und: Es habe sich nach seinem Kenntnisstand nicht um eine Veranstaltung der Identitären Bewegung gehandelt, sondern um ein Treffen junger Menschen, die sich politisch interessierten und deshalb Sellner eingeladen hätten. Die IB steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. Laut Verfassungsschutz gibt es aber direkte Kontakte, insbesondere zwischen den Identitären und der Parteijugendorganisation Junge Alternative (JA). Auch die darf laut einem aktuellen Gerichtsurteil von den Staatsschützern als rechtsextremistisch eingestuft werden.
Kuchlbauer hat Gründungsdokument des AfD-Flügels unterzeichnet
Kuchlbauer, Historiker mit Promotion, gehört zu den Unterzeichnern der sogenannten Erfurter Resolution, dem Gründungsdokument des mittlerweile offiziell aufgelösten AfD-Flügels aus dem Jahr 2015. Die völkisch-nationalistische Parteigruppierung um den Thüringer Parteivorsitzenden Björn Höcke war und ist vor allem bei Mitgliedern in Ostdeutschland tonangebend. Mittlerweile gelten aber auch Bayern und Aichach-Friedberg als eine Hochburg. AfD-Kreisvorsitzender Paul Traxl war Obmann im Freistaat.
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion ist Kuchlbauer mit den beiden jungen und umstrittenen AfD-Abgeordneten und führenden JA-Funktionären Daniel Halemba und Franz Schmid vernetzt, die ebenfalls in Dasing dabei waren. Den Veranstaltungsaal hat in den vergangenen Jahren auch immer wieder mal die Kreis-AfD angemietet. Auch vor dem IB-Treffen soll der Kontakt über diese Schiene gelaufen sein. Das Wirtsehepaar will sich nach Anfeindungen nicht mehr öffentlich dazu äußern. Zuvor sagten sie: "Uns war nicht klar, worum es da geht und welche Leute da kommen.“ Als offenes Geheimnis in der Gemeinde, in Kommunalpolitik und im Umfeld der Gastronomen gilt, dass Kuchlbauer selbst angefragt hat. Er hat das gegenüber unserer Redaktion schriftlich nachdrücklich zurückgewiesen. Er habe weder den Saal angemietet, noch reserviert, noch mit Organisation und Durchführung der Veranstaltung etwas zu tun.
Verfassungsschutz: "Reconquista 21" ist Regionalgruppe der Identitären
Als Veranstalter fungierte in Dasing die vom bayerischen Verfassungsschutz eindeutig als IB-Regionalgruppe eingeordnete "Reconquista 21". Die Aktivisten nannten sich bis vor Kurzem "Wackre Schwaben". Bei der Demo gegen Rechtsextremismus am Samstag auf dem Rathausplatz in Augsburg, versuchten diese IB-Aktivisten mit einer provokativen Aktion Aufsehen zu erregen. Dass Kuchlbauer die Gruppe und ihre teils kriminellen Aktivitäten schon länger gut kennt und unterstützt, wird aus einem Video mit einem Aufruf zu Spenden für Anwaltskosten auf dem Messenger-Dienst Telegram deutlich, das unserer Redaktion vorliegt. Mit Botschaften auf dieser sozialen Plattform wird nicht die breite Masse, sondern das einschlägige Anhängerklientel angesprochen. Veröffentlicht wurde das Video Mitte September im Landtagswahlkampf. Kuchlbauer war Direktkandidat seiner Partei im Stimmkreis Aichach-Friedberg, schaffte den Sprung ins Maximilianeum über die Liste aber nicht.
Kuchlbauer steht für die Sequenz vor dem Ortsschild von Peutenhausen (Gemeinde Gachenbach) gleich hinter der Landkreisgrenze in Neuburg-Schrobenhausen. Ende 2022 und Anfang 2023 war die Stimmung in diesem Dorf zum Thema Asyl nach Einbrüchen durch Flüchtlinge und einem körperlichen Übergriff und Belästigung von zwei einheimischen Frauen sehr aufgeheizt. Bürgermeister Alfred Lengler sagte: "Es reicht uns." Eine Steilvorlage für die IB-Regionalgruppe: Schon mehrmals haben die "Wackren Schwaben" versucht, durch gezielte Guerilla-Aktionen an Orten, wo Emotionen in der Bevölkerung zur Asylfrage hochgehen oder Straftaten von Flüchtlingen verübt wurden, weiter Öl ins Feuer zu gießen.
Staatsanwaltschaft ermittelt zu IB-Aktion in Peutenhausen
Anfang Februar stoppten sechs teils vermummte Aktivisten von "Reconquista 21" den Durchgangsverkehr vor der Einrichtung in Peutenhausen, zündeten Rauchkörper und entrollten ein 10 bis 15 Meter langes Banner mit der Aufschrift „Gefährderstandort“ auf der Straße und drehten ein Video. Im Spätsommer teilte die Polizei dann mit, dass nach Hausdurchsuchungen in Oberbayern und Schwaben sowie Baden-Württemberg und drei Schweizer Kantonen sieben Männern und einer Frau zwischen 20 und 30 Jahren unter anderem Volksverhetzung und Nötigung vorgeworfen wird. Drei Männer waren damals vorläufig festgenommen worden.
Kuchlbauer bezeichnet in seinem Video den Vorfall als "friedliche Aktion" von "wackeren, jungen Leuten", die jetzt kriminalisiert würden. Es sei nur auf ein Problem aufmerksam gemacht worden. Deshalb weise er auf eine Prozesskostenhilfsaktion für die Opfer der "staatlichen Repression" hin - sie hätten allen Respekt verdient: "Das werde ich natürlich selbstverständlich auch unterstützen." Veronika Grieser, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Ingolstadt, teilt auf Anfrage unserer Redaktion zur Propagandaaktion mit, dass jetzt sechs Mitgliedern von „Reconquista 21“ Volksverhetzung, Nötigung, fahrlässige Körperverletzung und Umgang mit Waffen oder sonstigen Gegenständen bei einer Versammlung vorgeworfen wird. Zwei der Beschuldigten stammten aus der Schweiz, die anderen aus München, Augsburg, Stuttgart und Emmendingen. Die Ermittlungen dauern noch an, so Grieser.
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