Plante ein Syrer einen Sprengstoff-Anschlag mit seinem Bruder?
250 Einsatzkräfte der Polizei haben heute in Kempten und Hamburg eine Razzia durchgeführt: Planten zwei Männer einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund?
Es ist 7. 15 Uhr am Dienstagmorgen, als eine 56-jährige Bewohnerin des Kemptener Stuibenwegs eine Sprachnachricht von einer Nachbarin bekommt. Die Polizei sei in der Straße unterwegs, heißt es da: „Ich weiß nicht, was los ist.“ Die 56-Jährige schaut aus ihrem Dachfenster: „Erst sah ich zwei Polizeiautos, doch es waren mindestens sechs.“ Um 8.45 Uhr seien die Beamten wieder abgezogen, schildert die Frau im Gespräch mit unserer Redaktion. Ein anderer Anwohner mutmaßt da noch, es habe sich nur um eine Polizei-Schulung gehandelt, so ruhig sei der Einsatz abgelaufen. Die Straße befindet sich in der Nähe der Kemptener Innenstadt. Es ist eine beschauliche Wohngegend.
Doch wenn sich die Vorwürfe der Behörden erhärten, wurde hier ein schweres Verbrechen geplant. Bei dem Polizei-Einsatz in Kempten und einem parallel erfolgten Zugriff in Hamburg hat die Polizei zwei syrische Brüder festgenommen. Sie sollen einen Anschlag mit einem selbst hergestellten Sprengstoffgürtel auf zivile Ziele geplant haben. Gegen den 28-jährigen Hauptbeschuldigten erließ das Amtsgericht Hamburg Haftbefehl wegen „Terrorismusfinanzierung“, wie die Generalstaatsanwaltschaft und das Bundeskriminalamt mitteilten. Der in ähnlichen Ermittlungen übliche Tatvorwurf der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat werde bislang nicht erhoben, da noch wesentliche Teile für die Sprengfähigkeit des Gürtels gefehlt hätten.
Große Polizei-Razzia: Allgäuer soll mit Bruder in Hamburg einen Sprengstoff-Anschlag geplant haben
Seinem 24 Jahre alten Bruder wird Beihilfe vorgeworfen. Er wurde offenbar ohne Widerstand zu leisten in der Kemptener Wohnung festgenommen. In dem Gebäude, in dem sich der Polizei-Einsatz abspielte, war laut einer Nachbarin früher eine Außenstelle der Landeszentralbank untergebracht. In letzter Zeit sei öfter die Polizei vorgefahren, erzählt eine andere Anwohnerin: „Sie ist gekommen, weil dort einige Leute extrem laut telefoniert haben.“ In der Nachbarschaft habe man sich oft gefragt, „wer dort eigentlich wohnt“. Familien hätten in dem Haus nicht gelebt, sagt eine Anwohnerin. „Man hatte den Eindruck, dass es sich um Menschen verschiedener Nationalitäten handelt, die eine billige Unterkunft gesucht haben.“
Die Polizei war in Hamburg und Kempten mit insgesamt 250 Kräften im Einsatz. Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung des Bundeskriminalamts, des Landeskriminalamts Hamburg sowie der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg wurden mehrere Objekte durchsucht – auch bei Kontaktpersonen der Beschuldigten. Die Ermittler stellten demnach „umfangreiche Beweismittel“ sicher, darunter auch chemische Substanzen und Mobiltelefone.
Spezialeinheit im Zentrum von Kempten im Einsatz
Beide Brüder, die im Fokus der Ermittlungen stehen, sind syrische Staatsangehörige und sollen „aus einer radikal-islamistischen und jihadistischen Grundhaltung“ gehandelt haben. Sie sollen 2015 getrennt nach Deutschland gekommen sein. Hinweise auf konkrete Ziele gibt es laut der Hamburger Generalstaatsanwaltschaft nicht. Auch nicht dazu, ob die Angriffe in einem bestimmten Bundesland hätten stattfinden sollen.
Der 28-jährige Hauptbeschuldigte aus Hamburg soll nach Angaben der Behörden seit einigen Wochen über die Onlineplattform Ebay und sonstige Anbieter „Grundstoffe zur Herstellung sprengfähigen Materials“ erworben haben. Sein in Kempten lebender Bruder soll ihn darin bestärkt haben. Der ältere Bruder wurde von Spezialkräften der Bundespolizei festgenommen.
Wie es mit dem 24-jährigen Mann aus Kempten weitergeht, ist unklar. Er wurde nach Polizeiangaben zunächst vorläufig festgenommen, unter anderem damit die Beamten in der Wohnung des Beschuldigten in Ruhe ermitteln konnten. Mittlerweile befindet er sich auf einen richterlichen Beschluss hin in Gewahrsam, teilte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West am Dienstagabend mit. Dort könne man den Mann maximal einen Monat festhalten. „Ziel ist es, weitere mögliche Straftaten zu verhindern.“
Geplantes Selbstmordattentat: Zahlen zu Islamisten im Freistaat
Im Freistaat verharrt die Zahl der Islamisten nach Erkenntnissen der Behörden stabil bei etwa 4200 Personen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht für 2022 hervor. Anders sieht es im Allgäu aus. Wie die Polizei unserer Redaktion im Januar mitteilte, verzeichnen die Beamten in der Region „im Bereich Salafismus seit Jahren einen deutlichen Rückgang“. Wie viele Islamisten sich im Allgäu aufhalten oder aus der Gegend kommen, könne man aber nicht genau beziffern, sagte ein Sprecher des bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz. Es sei schwierig, die einzelnen Personen eindeutig bestimmten Bezirken zuzuordnen, wenn diese etwa nicht am selben Ort wohnen und arbeiten. (mit mam und dpa)
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