Seehofer-Abschied: Emotionen müssen draußen bleiben
Der Wechsel an der Spitze der CSU vollzieht sich nüchtern und sachlich. Seehofer und Söder lassen die Vergangenheit ruhen und beschränken sich auf Sticheleien.
Als Horst Seehofer an diesem historischen Tag in der kleinen Olympiahalle in München ans Rednerpult tritt, um nach 3739 Tagen seinen Rücktritt als CSU-Chef zu verkünden, weiß kaum jemand im Saal, was ihm vorher ganz besonders „ans Herz gegangen“ ist. Es ist ein langer, handschriftlicher Brief des früheren Ministerpräsidenten Günther Beckstein. Fast hätte er, so verriet Seehofer unserer Zeitung, einige Passagen daraus vorgelesen. Doch er verzichtet darauf. Er will, wozu ihm Beckstein in dem „sehr persönlichen, sehr einfühlsamen“ Schreiben auch geraten habe, die Vergangenheit ruhen und keine neuen Emotionen hochkommen lassen.
Tatsächlich geht der gesamte Parteitag – nur zwischendurch aufgelockert durch einige Frotzeleien – eher nüchtern über die Bühne. Seehofer und sein Nachfolger und langjähriger Rivale Markus Söder kommen Seite an Seite in den Saal, aber ohne großes Tamtam und Musikbegleitung. Die Parteitagsregie will es so. Wer Demut predigt, so die Logik, sollte nicht auf den Putz hauen.
Seehofer hält sich an das Konzept und beschränkt sich in seiner Abschiedsrede auf wenige Anmerkungen zur Vergangenheit und der aktuellen Lage der CSU. Dass es die Freien Wähler 2008 und die AfD 2018 in den Landtag geschafft hätten, seien „die eigentlichen beiden Ursachen, warum wir heute auf einem anderen Niveau hantieren“. Über die tieferen Gründe sagt er nichts. Nur so viel: „Ich bin froh darüber, dass ich vieles hingenommen und geschluckt habe, nie darüber geredet habe und in Zukunft auch nicht darüber reden werde.“ Er sei erleichtert. Es bleibe bei ihm „ein glühendes Herz“ für die CSU. Und er habe nur einen Wunsch: „Verachtet mir die kleinen Leute nicht.“
Seehofer verzichtet nicht völlig auf Sticheleien
Völlig auf Sticheleien verzichten mag Seehofer aber nicht. In seinem Horoskop, so lässt er die knapp 800 Delegierten im Saal wissen, habe er am Morgen gelesen: „Sie verlieren keinesfalls ihr Gesicht, wenn Sie eine bereits getroffene Entscheidung revidieren.“ Dann fährt er fort: „Vor 15 Jahren hätte ich das als Auftrag empfunden, heute fehlt mir einfach die Risikobereitschaft.“ Das bringt ihm einen vorletzten Lacher bei seinen Parteifreunden ein, die ihn mit einem langen und höflichen Applaus verabschieden.
Die Aufgabe, Seehofers Arbeit als Parteichef zu würdigen, fällt der stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Angelika Niebler zu. Sie dankt ihm für seine „Schaffenskraft“, seinen Einsatz für Frauen und für die Mütterrente und dafür, dass es ihm bei der Landtagswahl 2013 gelungen sei, „dem Mythos CSU neues Leben einzuhauchen“. Dann überreichen Söder, Generalsekretär Markus Blume und die anderen Parteivizes ihr Abschiedsgeschenk: ein maßstabsgetreues Modell der neuen CSU-Zentrale in München für seine Modelleisenbahn. Seehofers Kommentar: „Danke, lieber Markus, das löst bei mir wahrscheinlich in den nächsten Jahren den Wunsch aus, dort wieder einzuziehen.“ Noch einmal lacht der Saal. Aber dann schlägt die Stunde des Nachfolgers.
Söder wiederholt, was er in den Tagen und Wochen davor schon bei den CSU-Klausuren gesagt hatte. Er spricht von Aufbruch und Erneuerung, von einer Reform der Partei, von seinem Ziel, die CSU jünger, weiblicher und moderner zu machen und ihre Einzigartigkeit als „Volkspartei“ erhalten zu wollen. „Ich will mit Herz, Leidenschaft und Verstand für diese Partei arbeiten“, verspricht Söder und schlägt vor, Seehofer neben den früheren Parteichefs Theo Waigel und Edmund Stoiber zum dritten Ehrenvorsitzenden der CSU zu wählen.
Wie Delegierte Söders Wahlergebnis interpretieren
Söders eigenes Wahlergebnis bleibt mit 87,4 Prozent der gültigen Stimmen im Rahmen der Erwartungen. Die Auffassung von Beobachtern, dass erst 90 Prozent plus x ein echter Vertrauensbeweis gewesen wären, wird von der Mehrheit der Delegierten nicht geteilt. Das Ergebnis sei „ordentlich und ehrlich“, heißt es hinterher. Seehofer wird per Handzeichen fast einstimmig zum Ehrenvorsitzenden gewählt.
Söder revanchiert sich für Seehofers Sticheleien bei der Übergabe der Urkunde mit den Worten, dass seiner Ansicht nach das Amt des Ehrenvorsitzenden nicht mehr dazu berechtige, erneut für den Parteivorsitz zu kandidieren.
Der Parteitag endet mit Reden des Spitzenkandidaten für die Europawahl, Manfred Weber, und der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Bei der abschließenden Antragsberatung ist der Saal schon fast leer. Zum Lachen gibt es nur noch am Rande etwas. Seehofer wie Waigel schließen auf Nachfrage kategorisch aus, dass die drei Ehrenvorsitzenden eine Skatrunde gründen könnten. „Ganz sicher nicht“, sagt Waigel. Aber das ist noch einmal eine ganz andere, noch ältere Geschichte…
Auch in unserem Podcast "Bayern-Versteher" geht es um Söder, Seehofer und die Zukunft der CSU. Hier können Sie reinhören:
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